eisblau&honigsüß

Gedankenlöcher

Es fällt mir momentan sehr schwer, einen ordentlich Eintrag zu bloggen. Nicht, weil es nichts zu Schreiben gäbe. Es passiert viel und mich beschäftigen eine Dinge. Stoff gäbe es also mehr als genug.

Das Problem sind die Gedanken. Sie springen in meinem Kopf herum, tauchen plötzlich auf und verschwinden im nächsten Moment wieder. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen dachte „Äh – was wollte ich gerade machen?“ Ich stehe auf – und weiß dann nicht mehr, warum eigentlich. Wo wollte ich hingehen? Was wollte ich machen? Wollte ich was holen? Ich ziehe Schuhe an und weiß schon während des Schuhe-Anziehens nicht mehr, warum ich eigentlich rausgehen wollte. Nur so? Was erledigen? Hm. So geht es mit vielen Dingen im Moment. Die Gedanken reißen plötzlich ab, lösen sich in Luft auf. Ich spüre nur noch das Loch, wo gerade eben noch ein Gedanke gewesen ist. Ich kann die Gedanken nicht festhalten, nicht verfolgen, sie sind zu schnell, zu unbeständig. Und es sind so verdammt viele Gedankensplitter in meinem Kopf, dass es ohnehin schwierig ist, einen einzelnen Gedanken zu fokussieren.

1000 identisch aussehende Eichhörnchen auf Speed springen durch das Stroboskoplicht einer Diskothek. Fange Eichhörnchen Nummer 307.

Ich weiß nicht, was da in meinem Kopf los ist. Warum die Gedanken so springen und reißen. Ich glaube nicht, dass es etwas Schlimmes ist und ich mir Sorgen machen müsste. Es ist nur sehr anstrengend und oft verwirrend.

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er, immer wieder er

Er – der Herr Oberarzt. Immer wieder er. Es nervt mich, dass meine Gedanken so viel mit ihm beschäftigt sind. Als er Oberarzt wurde habe ich Tage, Wochen über ihn nachgedacht. Nach dem November-Gespräch kannte mein Kopf auch tagelang kein anderes Thema. Die Krisenintervention nach dem MRT hat erneut dazu geführt, dass ich stundenlang immer und immer wieder jede Sekunde des Kontakts mit ihm durchgegangen bin. Und jetzt, nach der Krisenintervention am Donnerstag, kreisen meine Gedanken wieder so stark um ihn. Wieder denke ich über jedes Wort, jede Geste von ihm nach.

Warum ist das bei ihm so? Bei anderen Ärzten mache ich mir doch auch nicht so viele Gedanken! Klar denke ich nach Arztgesprächen immer noch ein bisschen über das Gesagte und Erlebte nach. Aber nicht so ausgiebig wie bei ihm. Bei weitem nicht!

Ich will nicht, dass das so ist. Ich will, dass auch er ein ganz normaler Arzt für mich ist, einer von vielen, einer wie alle anderen auch. Er soll nicht so viel in meinem Kopf sein.

Ich verstehe nicht, warum das so ist. Weil er der einzige Arzt dort ist, der mir wiederholt Schwierigkeiten gemacht hat? Weil ich ihn lange Zeit als eine Art Täter empfunden habe? Das unterscheidet ihn jedenfalls klar von den anderen Ärzten. Vor keinem hatte ich so viel Angst, keinen habe ich als so unberechenbar und willkürlich und grenzverletzend erlebt wie ihn.

Aber inzwischen müsste ich es doch besser wissen. Ich müsste das Misstrauen und die Angst loslassen können. Ich habe doch jetzt wiederholt die Erfahrung gemacht, dass er wirklich okay ist. Dass er Kritik annimmt, dass er auf mich eingeht, dass er meine Sorgen ernst nimmt. Ich bin doch mittlerweile auch sicher, dass viele Probleme mit ihm einfach Missverständnisse gewesen sind – keine Absicht, keine Willkür, keine Boshaftigkeit, kein Täter-Handeln.

Wie lange wird das noch so sein, dass ich jeden Kontakt mit ihm minutiös immer und immer wieder geistig durchkaue? Wird das für immer so bleiben? Ist es nicht möglich, ein „normales“ Verhältnis zu jemandem aufzubauen, wenn derjenige mal fälschlicherweise als Täter empfunden wurde?

Und bleibt dieser schreckliche Zwiespalt im Herzen auch für immer? Die Angst vor ihm einerseits – und ein spürbar wachsendes Vertrauen andererseits? Wie soll ich denn mit ihm klarkommen, wenn ich ihm gleichzeitig vertraue und weglaufen will? Wie soll ich Kriseninterventionen sinnvoll nutzen, wenn es danach Tage und Wochen kein anderes Thema mehr in meinem Kopf gibt als ihn? Wie soll ich überhaupt in der Klinik behandelt werden, wenn schon ein zufälliges Über-den-Weg-Laufen und ein Gruß mich tagelang beschäftigen?

Das ist doch nicht normal?! So viel über einen einzelnen Menschen nachzudenken. Fast schon zwanghaft jedes Wort und jeden Blick zu zerpflücken 😦

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Macht das (so) überhaupt Sinn?

In den letzten Tagen, nein: in den letzten Wochen, habe ich mich wiederholt gefragt, ob die Therapie bei Dr. H. überhaupt Sinn macht. Ob es so Sinn macht.

Ich hatte immer wieder den Eindruck, dass er nicht wirklich Zeit für mich hat. Oder vielleicht auch keine „Lust“ sich mit meinen Problemen zu befassen. Manche Termine bei ihm waren gut und hilfreich. Nach vielen bin ich aber auch sehr enttäuscht heimgegangen. Oft hat es mich verletzt und gekränkt, dass er es offensichtlich kaum erwarten konnte, dass unser Gespräch endlich zu Ende war. Nein, das ist keine Einbildung: darauf angesprochen hat er zugegeben, dass das tatsächlich einige Male so gewesen ist.

Ich verstehe, warum das so ist. Die Psychiatrie ist personell momentan nicht allzu gut aufgestellt, wodurch die Arbeitsbelastung für die einzelnen Ärzte enorm hoch ist. Und in seinem Privatleben gibt es auch noch etwas, dass ihn verständlicherweise sehr beschäftigt.

Verstehen kann ich das also schon. Habe ich dafür Verständnis? Ehrlich gesagt: nein. Ich habe dafür wenig bis gar kein Verständnis. Ich finde es unprofessionell und auch irgendwie unfair. Wenn er nicht die Zeit und Nerven hat, mit mir zu arbeiten – nun, dann sollte er es eben sein lassen. Das habe ich ihm auch vorgeschlagen. Er wollte unbedingt weiter mit mir arbeiten und hat Besserung gelobt. Besser geworden ist allerdings gar nichts. Zeit nimmt er sich nach wie vor nicht und mit den Gedanken ist er auch nicht bei der Sache.

Wirklich maßlos enttäuscht hat mich der letzte Termin. Ich hatte ihm von meinen Sorgen wegen diesem einen doofen Paragraphen erzählt und ihn ausdrücklich gebeten, das noch vor seinem Urlaub mit der Rechtsabteilung zu klären. Weil es mich eben enorm stresst und belastet, und ich nicht bis in den April hinein im Unklaren sein will. Er versprach, das zu machen; wäre auch kein großer Aufwand gewesen, nur ein kurzer Anruf in der Rechtsabteilung. Ich ging also mit der Erwartung zum letzten Termin, dass ich eine Auskunft bekommen würde, wie das nun ist mit dem Paragraphen. Er hat sich nicht darum gekümmert! Im April fragt er nach, vertröstete er mich. Ich könnte wetten, dass er das dann auch nicht tut – da sind erst die Osterfeiertage, dann natürlich weiterhin die Arbeitsbelastung, und privat wird es bei ihm eher noch stressiger werden.

Ich könnte heulen deswegen. Ich habe geheult deswegen. Der Paragraph stresst mich, das habe ich ihm gesagt, ich habe ihn angefleht gebeten, das noch vor seinem langen Urlaub zu klären, weil ich die Unsicherheit kaum ertragen kann. Und was tut er? Nichts. Nur leere Versprechen. Es ist scheinbar nicht wirklich wichtig, ob ich leide. Es ist zu viel verlangt, einen kurzen Anruf zu tätigen und mir Entlastung zu verschaffen.

Momentan tendiere ich sehr dazu, im April noch ein letztes Mal zu ihm zu gehen und die Therapie dann abzubrechen. Ich mag Dr. H. wirklich, aber so, wie es die letzte Zeit lief, nützen mir die Termine wenig. Im Gegenteil: die wiederholte Enttäuschung, die Kränkungen, das Gefühl, unwichtig und egal zu sein – das tut mir nicht gut. Das tut mir gar nicht gut.

Und auch wenn ich Dr. H. mag, so denke ich trotzdem, dass es nicht so weitergehen kann. Vielleicht irgendwann wieder, wenn er auch wirklich in der Lage ist, sich in unseren Terminen auf die Arbeit mit mir zu konzentrieren. Wenn er eine geringere Arbeitsbelastung hat und privat nicht mehr so gestresst ist. Also nicht in den nächsten Monaten… So macht es doch keinen Sinn! Was bringt mir eine Therapie, wenn mein Therapeut keine Zeit und „Lust“ hat mit mir zu arbeiten? Was bringt es, wenn meine Gefühle und Bedürfnisse missachtet werden? Was bringt es, wenn ich nach den meisten Terminen enttäuscht und verletzt nach Hause gehe? Eben. Es bringt nichts. Da bin ich ohne Therapeut vermutlich sogar besser dran.

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Kopfgefängnis

Wieder ist eine Therapiestunde vergangen, in der ich es nicht geschafft habe, über die schlimmen Gedanken zu reden. Immerhin weiß die Frau Therapeutin jetzt, dass es da was gibt, das mich seit Wochen sehr belastet und worüber ich nicht so einfach sprechen kann. Aber außer, dass sie das weiß, bin ich auch heute nicht weiter gekommen. Ewig drumherum geredet, aber trotzdem nicht aussprechen können, was in meinem Kopf herumspukt.

„Werden Sie wieder ärgerlich mit sich sein, dass Sie es nicht ausgesprochen haben?“ – „Ja, klar.“, antworte ich, aber schüttel dann trotzdem den Kopf, als sie fragt, ob ich es nicht vielleicht doch aussprechen will.

Ich habe Angst, dass irgendetwas Schlimmes passiert, wenn die Gedanken erstmal meinen Kopf verlassen haben. Im Kopf machen sie mich zwar verrückt, aber sie sind dort eingefangen im Kopfgefängnis, sicher verwahrt, ungefährlich für alles außerhalb meines Kopfes. Eingesperrt wie ein wildes Raubtier, das man einfach nicht aus seinem Käfig freilassen kann, weil man nicht weiß, welchen Schaden es dann anrichtet. Lieber hinter Gittern lassen.

Die Frau Therapeutin würde sicherlich auch akzeptieren, wenn ich schreibe anstatt zu sprechen. Aber auch das geht nicht. Weder hier im öffentlichen Bereich, noch unter Passwortschutz, und auch nicht nur für mich. Nicht im Blog, nicht in einer Textdatei, nicht auf einem Stück Papier.

Ich kann es in Worte fassen. Das ist nicht das Hindernis. Es ist keines von diesen Problemen, für das die Worte fehlen. Im Kopf kann ich alles sehr gut formulieren. Nur kann ich es nicht nach draußen lassen.

Es belastet und es macht mich kirre und ich will darüber reden, oder vielleicht nicht unbedingt lang und breit darüber reden, aber es aussprechen, raus aus meinem Kopf haben, nicht alleine sein mit diesen schlimmen Gedanken.

Und ich versuche es, versuche es seit Wochen, immer und immer wieder. Es geht nicht. Es geht einfach nicht.

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Züge in der Nacht

Jetzt ist es nachts um drei. Ein Alptraum hat mich aus dem Schlaf gerissen. Ich brauche Zeit, um mich zu beruhigen und in die Wirklichkeit zurückzufinden.

Ich sitze auf dem Balkon. Die kühle Nachtluft tut mir gut. Sie verankert mich im Hier und Jetzt. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das von den Männern gequält wird. Ich bin jetzt erwachsen. Ich bin in einer anderen Stadt. Ich bin in einer Klinik, in der ich gut behandelt werde. Der Nachtpfleger ist sanft und freundlich, er tut mir nicht weh. Ich bin in Sicherheit, jetzt, hier, mitten in der Nacht auf meinem kleinen Balkon.

Die Nacht ist still und stockfinster. Wolken verbergen das Licht des Mondes und der Sterne. Nur in der Ferne leuchtet die rote Lampe an der Spitze eines Funkturms. Wie ein Fels in der Brandung leuchtet die kleine Lampe in der Nacht.

Von Zeit zu Zeit durchschneidet ein hellerleuchteter Personenzug die stille Dunkelheit. Ich frage mich, was das für Menschen sind, die in den Waggons sitzen. Sind sie schon seit Stunden unterwegs und freuen sich auf das baldige Erreichen ihres Ziels? Oder haben sie sich eben erst aus ihren warmen Betten gequält, um mitten in der Nacht ihre Reise zu beginnen? Sitzen sie hellwach im Zug, vielleicht mit einem Becher Kaffee in der Hand? Tippen sie eifrig auf die Tastatur des Laptops auf ihrem Schoß? Lesen sie einen Roman oder blättern träge durch eine Zeitschrift? Plaudern sie mit Weggefährten? Oder starren sie einsam aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus? Fragen sie sich, was das wohl für Menschen sind, die da wohnen, wenn sie ein Haus mit hellerleuchteten Fenstern sehen?

Woher kommen sie? Wohin fahren sie? Sitzt vielleicht der eine oder andere Passagier im Zug und fühlt sich so wie ich mich gefühlt habe, als ich gestern Abend hierher gekommen bin? Ohne ein Ziel, zu dem sie hin wollen, nur mit dem Ziel, von irgendwo wegzukommen? Freuen sie sich nicht darüber, irgendwann irgendwo anzukommen, sondern sind sie froh, irgendwo nicht mehr sein zu müssen? Hätten sie am liebsten ein Ticket gekauft, auf dem als Ziel steht: „Egal wohin, nur weg von hier“? Glauben sie vielleicht törrichterweise, dass sie das eigene ICH zurücklassen können, wenn sie nur weit genug nach Irgendwo reisen?

Ein weiterer Zug durchschneidet die Dunkelheit. Mir ist kalt geworden. Fast eine Stunde saß ich hier und habe die Gedanken kommen und gehen lassen. Ich weiß noch immer nicht, was das für Menschen sind, die durch die Dunkelheit reisen. Woher sie kommen, wohin sie wollen, was sie treibt. Im Stillen wünsche ich ihnen, dass sich ihre Reise lohnt, wohin und warum auch immer sie unterwegs sind.

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