Heute Nachmittag war ich kurz auf der Geschlossenen. Vereinbarter Termin, weil mein Psychiater im Urlaub ist und es klar war, dass es jetzt schwierig werden könnte.
Kurz hatte ich mir im Gespräch erlaubt zu weinen. Aber nur kurz. Hätte ich den Tränen freien Lauf gelassen, hätte ich es so schnell nicht mehr stoppen können.
Kurz weinen. Dann: Tränchen wegwischen. Lächeln aufsetzen. Blick in den Spiegel: Maske sitzt.
Stimme testen: fröhlich, kräftig, optimistisch. Bei Bedarf auch beruhigend, sanft, mitfühlend. Funktioniert alles.
Ab ins Krankenhaus zu meiner Mama. Bevor ich ihr Zimmer betrete: durchatmen und daran erinnern, dass meine Gefühle jetzt nicht wichtig sind. Ich muss stark sein. Für sie. Ich darf mir nicht anmerken lassen, wie sehr es mich belastet.
Und auf die Stimme achten. Die Stimme ist das Wichtigste. Sehen kann sie mich ja nicht, sie ist fast blind. Aber meine Stimme hört sie. Meine Stimme muss transportieren, was ich ihr vermitteln will. Ich bin da, ich pass auf dich auf, du bist nicht alleine, es wird alles gut.
Dass es unglaublich viel in mir aufwühlt, meine nahezu blinde Mama zitternd vor der OP im Krankenhaus zu besuchen – darf ich mir nicht anmerken lassen.
Dass es mir selber nicht gut geht – darf sie nicht spüren.
Stark sein. Ich muss stark sein.
Es hat fast perfekt funktioniert. Nur einen Moment lang hätte ich fast weinen müssen. Als sie im Bett lag und die Pflegerin ihr Tropfen in die Augen machte, die wohl höllisch gebrannt haben… Ich hätte fast geheult. Aber nur fast.
Ich. Muss. Stark. Sein.
Später dann noch ein Telefonat mit meinem Vater. Kurz berichten, dass ich bei Mama war und wie es ihr geht usw. Stark sein. Ihm zuhören, ihn stützen.
Erst als das Telefonat beendet ist, gestatte ich meinen Gefühlen da zu sein.
Und weine und weine und weine.