eisblau&honigsüß

Rosenangst (2) – Ertrinken im Leben

Natürlich habe ich keine Angst vor Rosen. Ich mag Blumen jeglicher Art. Eine Blumenwiese, ein Rosengarten – da kann ich mich stundenlang aufhalten und entspannen.

Trotzdem schrieb ich den Text nicht ohne Grund. Es gibt Ängste, die mich arg belasten und einschränken, und die nie jemand erklären oder gar behandeln konnte. Ärzte, Psychologen… So viel versucht, so wenig Erfolg.

Bis dann eben eine Erinnerung hochgekommen ist. Tatsächlich eines Morgens, als ich im Bad stand, mich wusch und für den Tag zurecht machte.

Und ja, es raubte mir wirklich den Atem. Und ja, ich saß eine ganze Weile weinend auf dem Boden.

Im Grunde ist die Erinnerung nicht sonderlich dramatisch. Kein Vergleich zu den Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch, beispielsweise. Es ist eine so normale, so banale Erinnerung. Die mir trotzdem den Boden unter den Füßen wegzog und so viel erklärte, so viel Sinn schaffte in dem Unsinn meines Lebens.

Ich mag noch nicht darüber schreiben. Aber reden würde ich gern darüber. Nur mit wem? Das ist das Problem. Ich bräuchte einen Psychotherapeuten, jetzt mehr als irgendwann sonst. Aber da sieht es schlecht aus. Seit weit über einem Jahr versuche ich (mit Hilfe des Sozialarbeiters und meines Psychiaters, auch der Krankenkasse) einen Platz für eine ambulante Therapie zu bekommen. Oder zu „ergattern“, anders kann man es wohl kaum nennen. Keine Chance. Es ist so frustrierend, die Therapeutensuche. Ich glaube kaum mehr daran, noch rechtzeitig Hilfe zu bekommen. Im Lotto gewinnen scheint einfacher zu sein als einen Therapieplatz zu bekommen…

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Erinnerung ist jetzt da, nachdem sie so verdammt lange völlig verschüttet gewesen ist. Ich könnte – ich will! – damit arbeiten. Will weiterkommen, weitergehen in Richtung eines gesunden Lebens. Eines lebenswerten Lebens. Denn lebenswert ist mein derzeitiges Leben wirklich nicht mehr.

Nur wie… das ist die Frage. Es scheint mir aussichtslos zu sein. Therapeutensuche mit null Erfolg seit so langer Zeit. Wieder Psycho-Klinik? Nach den miesen Erfahrungen, die ich beim letzten Aufenthalt gemacht habe? Nee danke.

Ich schwimme. Schwimme in Erinnerungen und Emotionen und den Strudeln, die wohl mein Leben sind. Ich ertrinke. Langsam. Ja, langsan, ertrinke ich. Ich will nicht ertrinken. Aber da ist so viel Wasser, so verdammt viel Wasser. Ein Ozean aus Erinnerungen, meterhohe Wellen aus Schmerz, Strudel aus Erinnerungen. Wie lange kann man sich da über Wasser halten? Wieviele Stunden, Tage, Wochen, Monate… bis man ertrinkt, im eigenen Leben?

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Rosenangst

So lange sie denken konnte, hatte die junge Frau panische Angst vor Rosen. Ihr Anblick, ihr Duft versetzte sie in Angst und Schrecken.

„Vor Rosen?“, wurde sie oft ungläubig gefragt. „Warum denn vor Rosen? Diese wundervollen Blumen – wie kann man davor denn Angst haben?“ Die Menschen um sie herum verstanden es nicht, und wenn sie ehrlich war, verstand sie selbst es auch nicht. Rosen. Was war daran denn so schlimm, dass bei ihrem Anblick das Herz schlug wie wild und die Luft wegblieb?

Sie kannte alte Photographien aus dem Familienalbum. Sie, ein junges Mädchen, kaum den Windeln entwachsen, glückselig lächelnd mit Rosen in der Hand. Da hat sie wohl noch keine Angst vor diesen Blumen gehabt. Aber mehr als diese Photographien gab es nicht, keine Erinnerungen an Zeiten, in denen die Rosen ihr nicht den Schweiß auf die Stirn trieben.

Sie litt sehr unter ihrer Angst. Rosen – sie waren so allgegenwärtig in jener Zeit. In jedem Park wuchsen sie, jeder Blumenhändler bot sie an. Ein Spaziergang durchs Grüne, ein Bummel über den Markt – unvorstellbares Grauen war das für sie.

Einmal, das war nun schon Jahre her, wollte eine Freundin ihr eine Freude machen und sandte ihr einen Strauß Rosen. Zitternd und weinend schlug sie dem Boten die Tür vor der Nase zu, kroch in ihr Bett, zog die Decke über ihren Kopf und brauchte Stunden, ehe sie sich beruhigen konnte.

Oder ein anderes Mal, als sie sich einen hochgelobten Film im Kino ansehen wollte. Mitten in der Geschichte brachte der Filmheld seiner Liebsten einen üppigen Strauß Rosen. Sie sprang aus ihrem Sitz, rannte hinaus, rannte in die Nacht, rannte und weinte, rannte und weinte, eine Ewigkeit, in der dunklen Nacht.

Ärzte suchte sie auf, und auch so manchen Psychologen. Niemand konnte ihr helfen. Die Ärzte gaben ihr Tabletten, die nicht halfen, und die Psychologen suchten erfolglos nach Ursachen ihrer Angst. Manche versuchten ihr die Angst zu nehmen, indem sie sie mit ihrem Schrecken konfrontierten – Rosen sehen, Rosen riechen, Rosen berühren – es war grauenhaft, und es half ihr nicht. Die Angst blieb.

Rosen. Ihre Gegenwart in einem Garten, ihr Duft in einem Parfüm, ihr Anblick auf einem Gemälde, ja, ihre bloße Erwähnung in einem Buch oder Gespräch. Ihr Herz schien stehen zu bleiben in diesen Momenten.

Eines Morgens – sie dachte an nichts Bestimmtes, stand vor ihrem Spiegel und kämmte ihr Haar – da machte es „Plopp!“ in ihrem Kopf. Wie eine Seifenschaumblase, die zerplatzt. Und sie erinnerte sich. Erinnerte sich an diese Dinge, die so lange her waren, dass sie sie vergessen glaubte.

Die Rosen.

Die Angst.

Gleich einem Erdbeben bewegten sich sich die Dinge. Ihre Erinnerungen. Ihre Gedanken.

Wie von unsichtbarem Wind getragen fügten sich die Puzzleteile zu einem Bild.

Eine unsichtbare Hand knüpfte lose hängende Fäden zusammen.

Und sie sah.

Und verstand.

Und sank zu Boden.

Weinte. Weinte und weinte und weinte und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen, jetzt, da sie sah und verstand… und verstand… verstand…

(Geschrieben an einem Morgen, an dem eine Erinnerungsblase platzte und ich begriff – wirklich begriff – warum mir etwas so fürchterlich Angst macht… und warum niemand je helfen konnte.)

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Weihnachten – ohne Familienbesuch

Es ist das erste Weihnachten überhaupt, an dem ich nicht zu den Eltern fahren werde. Das habe ich ihnen eben per Mail mitgeteilt.

Ich pack es einfach nicht. Mir geht es schlecht momentan. Bin froh, wenn ich wenigstens das allernotwendigste schaffe. Mal einkaufen, mal unter die Dusche stellen… Mehr geht nicht. Geht einfach nicht.

Ich habe Angst, wie meine Eltern auf die Mail reagieren werden. Natürlich werden sie enttäuscht sein. Werden sie auch sauer sein? Mit Unverständnis reagieren? Vielleicht.

Aber, Himmel. Was soll ich denn tun? Ich schaff es nicht, in meinem momentan Zustand Zug zu fahren, stundenlang, dann tagelang bei den Eltern, wieder Zugfahren stundenlang zurück. Es ist zu viel. Es überfordert mich. Die letzten Tage und Nächte habe ich so viel geweint deswegen. Diese Überforderung, die nicht zu bewältigende Aufgabe.

Ich habe so Angst, wie meine Eltern reagieren werden. Aber was wäre denn die Alternative gewesen? Hinfahren, so ganz ohne Kraft, und tagelos leiden und leiden und leiden… Beruhigungstabletten schlucken um dort keinen Zusammenbruch zu bekommen… und zusammenbrechen, sobald ich es hinter mir habe. Das kann doch auch nicht die Lösung sein, oder?

Es ist so verflixt. Ich kann auf mich achten – und andere vor den Kopf stoßen. Oder ich achte die Wünsche anderer – und gehe selbst vor die Hunde. Irgendjemand heult am Ende immer. Manchmal kann man es nur falsch machen.

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sich selbst bemitleidender Jammerlappen

Verzeiht mir bitte, dass ich auf eure Kommentare nicht geantwortet habe. Ich habe sie alle gelesen und bin dankbar für alles, was ihr mir geschrieben habt! Seid bitte nicht böse, wenn ich nichts dazu geschrieben habe, ja?

Es ist schwierig momentan. Ich weiß nicht, wie es mir geht. Kraft und Antrieb fehlen, Stimmung ist gut. Suizidgedanken sind stark, Selbstverletzungen häufig. Aber irgendwie ist es mir egal.

Egal. Das ist wohl mein vorherrschender Zustand: egal.

Irgendwie habe ich aufgegeben. Lebe vor mich hin, ein Tag nach dem nächsten, ohne Ziel, ohne Perspektive. Dafür mit einem Haufen Probleme.

Ein Problem spitzt sich mehr und mehr zu. Ich weiß nicht, wie lange das noch gutgehen wird. Alleine kann ich dieses Problem (ein gesundheitliches) nicht lösen. Ich bräuchte einen Arzt, der mich deswegen behandelt. Aber ich kann kann einfach nicht darüber sprechen. Nicht darüber schreiben. Manchmal nicht einmal daran denken. Ich kann damit zu keinem Arzt gehen, nicht darüber reden, mich nicht untersuchen und erst recht nicht behandeln lassen. Ich weiß nicht, wie lange das so noch gut geht.

Dazu kommen zig andere Dinge, die schwierig sind. Um die ich mich kümmern sollte. Die ich vielleicht sogar bewältigen könnte. Aber irgendwie – ist es mir egal.

Mir ist das Leben zu schwierig, zu fordern, zu anstrengend. Wenn man so viel Kraft braucht, um das Leben wenigstens grundlegend zu bewältigen, dann – danke, nein, möchte ich nicht.

Wie schon geschrieben: mein momentaner Zustand ist im Wesentlichen „egal“. Gleichgültigkeit. Resignation. Irgendwie habe ich ein Stück weit aufgegeben. Ich habe so lange, so viel, so hart gekämpft. Und wofür? Ja: für nichts. Ich habe nichts erreicht. In keinerlei Hinsicht habe ich irgendwelche Erfolge erzielt.

Ich kämpfe, Tag für Tag. Und ich überlebe, Tag für Tag. Ist es das wert, weiterzumachen? Ich weiß nicht.

Angeblich versinke ich in Selbstmitleid. Schrieb zumindest irgendein pseudo-anonymer Feigling in einem (nicht freigeschalteten) Kommentar (als ob man im Internet wirklich anonym wäre und straflos drauflos mobben könnte… wie dumm, sowas zu glauben!). Ich würde wetten, dass der oder diejenige sich einen Scheißdreck mit mir befasst hat. Einfach mal Rumpöbeln ist halt toll. Pusht das eigene schwache Ego, wenn man sonst nichts hat…

Trotzdem tuts weh. Ich bin also nur ein Jammerlappen, getaucht in Selbstmitleid. Gut. Okay. Danke.

Und jetzt? Kämpfen tue ich permanent, jeden verdammten Tag. Aber vielleicht wäre es wirklich besser, wenn ich Jammerlappen endlich in meinem Selbstmitleid ertrinke. Ruhe. Dann wäre Ruhe. Und vielleicht wäre das gut so. Wer weiß.

(Keine Suizidankündigung, falls das jetzt jemand denkt! Ich bin nur gerade ziemlich down und musste mir das von der Seele schreiben.)

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Psychotherapie Erstgespräch

Kennt ihr das, wenn ihr einer Person begegnet und am liebsten sofort Reißaus nehmen würdet?

So ging es mir bei dem Vorgespräch mit einer ambulanten Psychotherapeutin vor ein paar Tagen…

Ich hatte wirklich viel Hoffnung in den Termin gesetzt. Dachte, dass ich da endlich konstante Hilfe bekommen könnte.

Aber – nein. Einfach nein. Ich habe schon bei der Begrüßung gespürt, dass das nichts wird. Hätte mich am liebsten sofort umgedreht und wäre wieder gegangen. Katastrophaler erster Eindruck.

Gut, der erste Eindruck kann täuschen. Also bin ich geblieben. Saß einige Minuten in einem unordentlichen, staubigen (!) Wartezimmer… Dann folgte ein Gespräch, bei dem ich jeden Satz fünfmal wiederholen musste (mindestens), weil die Dame einfach extrem schwerhörig ist… die Erfahrung, die das Alter mit sich bringt, nutzt wenig, wenn kein Wort verstanden wird…

Und unsympathisch war sie auch. So dermaßen unsympathisch. Ich kann es gar nicht an was Konkretem festmachen. Sie war mir einfach zutiefst unsympathisch. Null Vertrauen, von Anfang an. Ihre Schwerhörigkeit hat das sicher auch nicht besser gemacht. Die intimstem Seelengeheimnisse in den Raum brüllen zu müssen, schafft einfach kein Vertrauen.

Nach einer knappen halben Stunde (mehr hatte sie für das Erstgespräch nicht eingeplant) habe ich weinend die Praxis verlassen. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich so schnell eine ambulante Therapeutin gefunden hätte *seufz*

Ich erinnere mich nur dunkel an die Zeit danach. Tränen, Schmerz, Verzweiflung, Wut. Innenstadt. Irgendwo sitzen, rauchen, weinen. Ein Mann, ein paar Worte. Psychiatrie. Ärztin. Noch mehr Tränen.

Langsam resigniere ich. Ich möchte leben, lachen, genießen. Aber wie? Eine stationäre Therapie, die nicht geholfen hat, ja, alles nur noch schlimmer machte. Die Aussichtslosigkeit auf eine gute ambulante Therapie. Keine Zukunftspläne, keine Perspektiven. Ich will leben, aber so? Aber so?!?

Langsam weiß ich echt nicht mehr weiter.

Was soll ich noch tun?

Eine Klinik, die auf mein Krankheitsbild spezialisiert ist, und die mir null helfen konnte. Die Unmöglichkeit, in absehbarer Zeit eine passende Therapeutin zu finden. Keine Chance, in meinem jetzigen Zustand zu arbeiten. Freunde, die sich allmählich zurückziehen. Eine Familie, die nie dagewesen ist.

Allein allein allein.

Was für eine Scheiße ist das, dieses „Leben“?

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