eisblau&honigsüß

Festtage, alte Wunden, Schmerz

Es ist nicht gut hier. Gar nicht gut.

Möchte nur noch weinen. Wie die ganzen letzten Tage schon. Immer wieder tränenreiche Zusammenbrüche. Es strengt so an, stark zu wirken. Nein, vor den Eltern weinen will ich nicht. Kann ich nicht. Sie wollen nicht sehen, dass es mir schlecht geht. Mir darf es nicht schlecht gehen.

 Alles muss gut sein, auch wenn nichts gut ist. Die Tränen hinter einem Lächeln eingesperrt.

Weihnachten, dieses geheuchelte Wir-haben-uns-alle-lieb, feiern im Kreise von Menschen, die so weit weg sind von mir. Das nahende Jahresende, Rückblick, Ausblick, was war in diesem Jahr los, was soll nächstes Jahr geschehen.

Kurz: Das Jahr war so ereignisreich, dass es schlicht zu viel war. Zu viel für mich. Und das nächste Jahr soll bitte-danke einfach gar nichts passieren. Es soll gleichmäßig vor sich hinplätschern, ohne die ganzen Höhen und Tiefen. Aber das wird es nicht, es kommt so viel auf mich zu im nächsten Jahr. Ich spiele Vogel Strauß und stecke den Kopf in den Sand. Nächstes Jahr – gerne, aber ohne mich.

Können die Festtage nicht schon vorbei sein? Ich will nicht Weihnachten feiern, ich will erst recht nicht Silvester erleben. Familie tut weh, Erinnerungen tun weh. Festtage reißen zuverlässig alte Wunden auf.

Leben tut weh, Ende Dezember.

2 Kommentare »

Weihnachten (ein Tag davor)

Sonntag, kurz vor 8 Uhr früh. In etwa vier Stunden fährt mein Zug.

Ich habe noch nicht gepackt. Die Wohnung ist kaum aufgeräumt. In der Küche stapelt sich Geschirr, das noch gespült werden sollte bevor ich fahre. Ich muss unbedingt duschen – dazu konnte ich mich seit drei Tagen nicht mehr aufraffen.

Ich will nicht fahren. Ich möchte mich mit Tabletten zudröhnen, ins Bett legen und die Zeit vergehen lassen. Das Leben soll weitergehen, aber für eine Weile bitte ohne mich. Ich möchte nicht sein, für ein paar Tage einfach nicht existieren.

Morgen ist Weihnachten. Ich bin nicht in Weihnachtsstimmung. Außer, dass ich mich die letzten Wochen mit Glühwein betrunken habe anstatt mit Wodka, habe ich von Weihnachten bisher nicht viel mitbekommen. Geschenke habe ich vorgestern besorgt, lustlos, einfallslos.

„Rezidivierende Depression“ steht bei den Diagnosen in den letzten Psychiatrie-Arztbriefen. Ich wünschte, es wäre so. Ich wünschte, es wären rezidivierende depressive Episoden – mit „gesunden“ Intervallen dazwischen. In Wirklichkeit schwanke ich nur zwischen verschiedenen Schweregraden und Begleitsymptomen.

Ich habe Angst, bei den Eltern zusammenzubrechen. Wenn wieder die vielen, vielen Erinnerungen getriggert werden. Wenn mir schon das Haus selbst Angst macht. Wenn wieder die ganze Zeit gestritten, gekeift und geheuchelt wird und jedes Wort unterschwellige Vorwürfe transportiert.

Seroquel, Tavor und Perazin statt Lebkuchen, Orangen und Marzipan.

Lange werde ich nicht bei den Eltern bleiben, das ist sicher. Donnerstag Vormittag will ich wieder zurückfahren. Die Standard-Begründung: Sooo viel für die Uni zu tun, und ich kann ja schlecht alle meine Lehrbücher mitschleppen…

Die Wahrheit: Länger halte ich es dort nicht aus, und wenn ich Donnerstag wieder nach Unistadt fahre und dann hier zusammenbreche, kann ich ohne Angst in die Psych, weil Dr. H. Dienst hat.

Trotzdem – die Aussicht auf „Familie“ freut mich kein bisschen. Ich mag nicht fahren. Ich mag hierbleiben und ins Bett und wegsein.

1 Kommentar »

Vielleichts

Na wunderbar, jetzt habe ich genau die Situation, vor der ich schon letzte Woche Angst hatte, als Dr. H. den Termin wegen Krankheit abgesagt hat. Wir haben keinen neuen Termin vereinbart. Heißt das nun, dass er mich nicht sehen will? Keine Zeit für mich hat? Oder geht er davon aus, dass ich wie gewohnt heute Nachmittag zum Gespräch zu ihm kommen werden? Dass ich einfach von einem „Termin“ ausgehe, zur üblichen Zeit am üblichen Ort?

Ich bin so unsicher, was ich jetzt machen soll. Nicht hingehen – war ja kein Termin vereinbart? Hingehen – und möglicherweise mit einem „Was wollen Sie denn hier?!“ wieder weggeschickt werden?

Die ganze Zeit schon starre ich aufs Handy und hoffe, dass es klingelt. Dass Dr. H. anruft und kurz Bescheid gibt, wie er sich das jetzt vorstellt. Selber anrufen bekomme ich nicht hin – ich habe seine direkte Durchwahl nicht, und auch wenn meine Telefonphobie sich langsam bessert, so ist es doch nach wie vor der absolute Horror, auf gut Glück irgendwo in der Klinik anzurufen und mich werweißwieoft weiterleiten zu lassen…

Gestern Nachmittag hatte ich einen entgangenen Anruf mit unbekannter Nummer. Das könnte er gewesen sein. Könnte. Vielleicht. Hilft mir aber auch nicht viel weiter, denn selbst wenn er da versucht hat, mich zu erreichen, weiß ich ja nicht, was er mir sagen wollte. „Morgen Termin!“ oder „Kommen Sie bloß nie wieder!“ oder „Morgen geht nicht, kommen Sie bitte an Tag XY!“

Nach dem letzten Termin bin ich mir eh nicht sicher, ob ich ihn überhaupt sehen will. In manchen Momenten kann ich das nächste Gespräch kaum erwarten. In anderen Momenten kocht die Wut wieder hoch und ich will nie, nie wieder mit ihm sprechen.

Vielleicht wäre es leichter, einfach heute Mittag hinzugehen bzw. nicht hinzugehen, wenn ich wüsste, was ich eigentlich will. Unentschlossenheit macht Unsicherheit nicht unbedingt besser.

Gewissermaßen bin ich auch ein bisschen froh, dass ich nichts von ihm gehört habe. Es gibt keinen klar vereinbarten Termin, also muss ich auch gar nicht entscheiden, ob ich hingehe oder nicht. Ich schiebe einfach Dr. H. die Entscheidung zu. Wenn er mich unbedingt wieder sehen will, soll er sich melden. Wenn nicht, dann nicht.

Und vielleicht macht er das umgekehrt genauso. Er weiß ja, dass mir das letzte Gespräch sehr gegen den Strich ging und ich nach solchen Vorfällen dazu neige, mich erstmal eine Weile zurückzuziehen. Vielleicht meldet er sich nicht, weil er mir Zeit geben will und davon ausgeht, dass ich mich schon mit ihm in Verbindung setze, wenn ich wieder gesprächsbereit bin.

Vielleicht ist er auch nur genervt und angekotzt von mir und hofft, dass er mich los ist. Vielleicht bin ich ihm zu anstrengend geworden. Zu schwierig. Zu nervenaufreibend. Könnte ich verstehen. (Wieso kann ich eigentlich immer so gut verstehen, wenn mich jemand nicht sehen will?).

Himmel, ich habe wohl noch nie so viele „Vielleichts“ in einem einzigen Artikel untergebracht. Und das ätzende daran ist, dass die ganzen Vielleichts auch in meinem Kopf sind und mich ganz durcheinander machen 😦

7 Kommentare »

neue Erfahrungen = Angst

Vielleicht überwinde ich meine Telefon-Phobie ja doch noch irgendwann. Zumindest der Anruf in der Hausarztpraxis heute Früh war schon fast ein Kinderspiel. Naja – zumindest verglichen mit ähnlichen Telefonaten früher… Es kostet mich immer noch reichlich Überwindung, das Herz klopft ein wenig schneller als normal und das Zittern habe ich auch noch nicht aus der Stimme bekommen.

Dennoch – wenn ich daran denke, dass ich mich früher schon Tage vor einem nötigen Anruf verrückt gemacht habe… Dann Stunden (!) ums Telefon geschlichen bin, den Hörer genommen und wieder zurückgelegt habe… Manchmal erst Beruhigungsmittel nehmen musste bis ich den Anruf hinbekommen habe…

Nun, verglichen damit ging’s heute Früh doch recht ordentlich über die Bühne. Von „angstfrei telefonieren“ bin ich zwar nach wie vor weit entfernt, aber es ändert sich was. Und das erstaunt mich wirklich. Wieviele Therapeuten haben sich an meinem Telefon-Problem schon erfolglos die Zähne ausgebissen? Die Angst schien immer wie in Granit gemeißelt. Und jetzt, so ganz ohne es therapeutisch zu bearbeiten – jetzt fängt die Angst an sich doch zu lösen. Sonderbar, wunderbar.

Anyway.

Hausärztin ist schon im Weihnachts-Urlaub, aber ich habe gleich am Vormittag einen Termin bei der Vertretungsärztin bekommen. Wirklich wohl gefühlt habe ich mich bei ihr nicht. Keine Ahnung. Sie war nicht unfreundlich oder so, aber irgendwie auch nicht so, dass ich spontan Vertrauen fassen konnte. Die Untersuchungen, auf die sie bestanden hat, habe ich mit zusammengebissenen Zähnen über mich ergehen lassen. Ich mag nicht untersucht werden, egal ob Arzt oder Ärztin. Ich mag das nicht, wenn irgendwer am Körper rummacht 😦

Zum Glück ging’s schnell und ich habe ein Attest bekommen.

Das ist das erste Mal, dass ich mich bewusst dafür entscheide, Stress zu reduzieren und eine Prüfung einfach zu verschieben. Früher hätte ich mich auch fiebrig noch dazu gezwungen, die Lehrbücher zu wälzen. Und wenn nötig, hätte ich auch Nacht für Nacht durchgearbeitet, um alles zu schaffen. Vollgepumpt mit Kaffee und Medikamenten.

Noch sowas, das sich offenbar verändert. Dass ich nicht nur merke, wo meine Belastungsgrenzen sind – sondern auch darauf Rücksicht nehme. Mich nicht bis zum völligen Kollaps zum „Funktionieren“ zwinge.

Unsicher fühle ich mich trotzdem. Es ist eine Änderung, etwas Neues. Neues macht mir Angst, weil ich keine Erfahrungswerte habe und nicht einschätzen kann, ob es „gut“ oder „schlecht“ ist. Weil ich Angst habe, dass mir ein neues Verhalten so gut gefällt, dass es zur Gewohnheit wird – was manchmal vielleicht positiv ist, aber manchmal eben auch nicht. Wird das jetzt Standard, dass ich mich zu Klausuren krankschreiben lasse? Werde ich faul? Verliere ich meinen Ehrgeiz? Reduziert sich meine Leistungsfähigkeit, weil ich nicht mehr über meine Grenzen gehe?

11 Kommentare »

Geschützt: kleine Nachtmusik

Dieser Inhalt ist passwortgeschützt. Um ihn anzuschauen, gib dein Passwort bitte unten ein:

Um die Kommentare zu sehen, musst du dein Passwort eingeben.